Thomas Mann greift in seinen Werken immer wieder zentrale Fragen der menschlichen Existenz auf, besonders in Zeiten politischer und gesellschaftlicher Krisen. Aus dem Exil heraus verteidigt er ein jüdisch-christliches Ethos gegen Faschismus, Rassismus und Militarismus. Dabei sucht er jenseits traditioneller Religionsformen einen eigenen Zugang zur Rede von Gott und entwickelt einen religiös fundierten Humanismus. Ein zentrales Motiv seines Spätwerks ist die Gnade, die er als höchste Macht im Leben des Einzelnen und ganzer Völker begreift. Der Literaturwissenschaftler Karl-Josef Kuschel zeigt, wie Manns Werk den Zerfall der Religion reflektiert und zugleich die Kraft christlicher Ideen zur Erneuerung von Humanität und Demokratie betont.
Dr. Karl-Josef Kuschel, em. Professor der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Tübingen, lehrte dort von 1995 bis 2013 Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs. Seit 2012 ist er Kuratoriumsmitglied der »Stiftung Weltethos«. 2015 wurde er in den Stiftungsrat des Börsenvereins des deutschen Buchhandels zur Vergabe des jährlichen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels berufen. Er ist Präsident der Internationalen Hermann-Hesse-Gesellschaft. Zahlreiche Veröffentlichungen zum interreligiösen Dialog und zu Religion und Literatur.